John Hult 93012 Unsplash

Live Streaming Shows als Alternative?

Musik als Livestream im Netz muss derzeit Livekonzerte ersetzen. Doch wer zahlt die Rechnung?

Am 10. März posteten wir auf Social Media: „KULTUR IST ABGESAGT“ und forderte Katastrophenhilfe für die Musikszene. Es war jener Tag, an dem klar wurde, dass alle Live Shows für die nächsten Wochen abgesagt werden müssen. Dass letztlich monatelang keine Livekonzerte gespielt werden können, wollten zu diesem Zeitpunkt nur wenige wahrhaben. Mehr als drei Monate und zahlreiche mehr oder weniger gut funktionierende Hilfsprogramme später ist allen klar, dass es noch länger dauern wird, bis wieder Live Shows in ausverkauften Sälen stattfinden werden können.

1 Kultur Ist Abgesagt
VTMÖ am 10.3.2020 auf facebook

Konzerte im Freien mit begrenzten Zuschauerzahlen werden zwar bald wieder möglich sein, doch eben diese Begrenzungen werden dafür sorgen, dass die für den Lebensunterhalt vieler Artists so notwendigen Gagen nicht die gewohnten Höhen erreichen werden. Bei Indoor-Shows sind die Limits für die Zuschauerzahl noch niedriger und die erzielbaren Gagen noch niedriger.

Alles Online

Sehr bald verlagerten viele Artists ihre abgesagten Live Shows ins Netz. Seither gibt es täglich zahlreiche Online-Gigs, was zunächst besser erschien als gar nicht aufzutreten und den Fans gefiel es auch. Mittlerweile gibt es etliche neue Plattformen für Live Streaming Shows, bereits bestehende erleben ungeahntes Wachstum und ganze Festivals werden auf Live Streaming umgeplant

2 stayathome festival
Bitte um Almosen (Screenshot stayathomefestival.com)

Doch mit der Bezahlung sieht es schlecht aus bei diesen Netzevents. Für manche Shows gibt es Online Tickets, andere Plattformen setzen Buttons für freiwillige Spenden. Bei den Live Shows hinter einer Paywall fehlen noch die Erfahrungen, inwieweit das Publikum bereit ist, Tickets in ausreichender Zahl und zum erwünschten Preis zu erwerben. Und wenn zu freiwilligen Spenden aufgerufen wird, dann fühlt sich das wie Betteln um Almosen an – „Wohltätigkeit ist das Ersaufen des Rechts im Mistloch der Gnade“ meinte bereits Pestalozzi, wobei bis heute nicht klar ist, ob dieses Zitat wirklich von ihm stammt. Weise Worte jedenfalls.

Anrecht auf faires Entgelt statt Almosen

Seit das Internet zum Breitbandnetz wurde, tobt der Kampf um faire Entgelte für jene, die den Content bereitstellen und sehr oft geht es da um Musik-Content. Die Musikwirtschaft war und ist in einer zu schwachen Verhandlungsposition, wenn es darum geht, vernünftige Lizenzbeträge von den Onlinekonzernen einzufordern. Die im vergangenen Jahr nach langen und zähen Konsultationen schließlich in Brüssel beschlossene EU Copyright Directive wird die Kräfteverhältnisse am Verhandlungstisch wohl verschieben – doch sie ist noch in keinem einzigen Land der EU in nationales Recht implementiert worden.

Copyright Directive umsetzen

Jetzt ist die rasche Umsetzung dieser Richtlinie umso wichtiger geworden. Denn selbst wenn irgendwann ein Impfstoff verfügbar sein wird, die Nachfrage nach live gestreamten Shows wird überleben. Es braucht dringend Rechtsnormen für die finanzielle Abgeltung dieser Onlinekonzerte, damit die Musikszene nicht um Almosen bitten muss.

In der virtuellen Welt stellt die Onlineplattform die Venue zur Verfügung und wie in der physischen Welt kann der Betreiber der Plattform gleichzeitig Veranstalter sein oder auch nicht. Egal ob das Konzert mit Eintritt hinter einer Paywall stattfindet oder der Livestream auf YouTube, Facebook & Co gratis konsumierbar ist: Die Kassa muss auch für jene stimmen, die auf der Bühne stehen.

Call to Action

Während die Rechte der Urheber ohnedies durch die AKM wahrgenommen werden, müssen Interpreten individuelle Gagen verhandeln und auch für Labels ist es essenziell, dass ihre Künstler bei vernünftigen Gagen live auftreten können. Für alle ist die rasche Umsetzung der Copyright Directive jetzt von höchstem Interesse, wenn bei live gestreamten Shows annähernd gleiche Entgelte erzielt werden sollen wie bei Präsenzkonzerten.

DJ-Mixes All Over

Einen speziellen Fall stellen DJ-Mix-Shows dar: Weil Clubs wohl noch lange Zeit nicht wieder öffnen können, gibt es mehr gestreamte DJ-Sets denn je. Entweder dauerhaft abrufbar als Podcasts auf Spotify & Co, was entsprechende Technologie zum sicheren Identifizieren der verarbeiteten Songs und darauf abzielende Abrechnungsmodellen erfordert – oder als live gestreamte DJ-Sets. Letztere werden neben der AKM auch für die LSG zum Thema: Weil diese Live-Sets aus Werken vieler verschiedener Rechteinhaber bestehen, können sie wohl nur über Verwertungsgesellschaften lizenziert werden und auch hier sollten ähnliche Entgeltsätze zur Anwendung kommen wie bei der öffentlichen Aufführung in Clubs.

3 mixcloud
DJ-Plattform (Screenshot mixcloud.com)

Übrigens brechen solche Live-Streams auf Facebook oder YouTube ab, sobald copyright-geschützte Songs erkannt werden. Also finden Live-DJ-Sets mehr und mehr auf neuen, darauf spezialisierten Plattformen statt. Diese zu lizenzieren, muss im Interesse der Musikwirtschaft liegen, denn es bietet sich die Chance für mehr Vielfalt bei den Online-Plattformen. Damit einher geht die Chance, die Abhängigkeit von einigen wenigen Online-Giganten zu verringern.

facebook share image twitter share image linkedin share image